Sieben Freischwebende Frauen: Mirjam

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Sieben Freischwebende Frauen: Mirjam

Quelle: Sieben Freischwebende Frauen: Mirjam

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Sieben Freischwebende Frauen: Mirjam

Sie ist dann nach Japan gegangen. Das mußte sein. Da gehört sie hin. Jetzt schläft sie zu wenig. Und arbeitet zu viel. Aber erlebt endlich genug.

Ich verliere bei ihr dauernd den Überblick. Was sie tut, wen sie kennenlernt, wen sie liebt, wovon sie träumt. Und da sie auf Twitter inzwischen die Hälfte auf Japanisch schreibt und die Bilder, die sie dazu postet durch die automatische Übersetzung noch rätselhafter werden, darf ich sie dauernd fragen, was da wieder los ist. Und wenn sie es dann auf Deutsch erklärt, dann verstehe ich es oft nur so weit, daß ich denke:

„Japan. Kannste dir nicht ausdenken. Aber sie hat es gut da.“

Glauben Sie nur nicht, daß manche Länder nicht auch genau s o sind, wie Sie sich das immer vorgestellt haben. Das Klischee ist nicht die ganze Realität, aber manchmal ist es ein saftiger Teil von ihr. Gestern postete Mirjam ein Bild mit der Unterschrift:

„Restaurant „Bahnhof“ serviert deutsches Essen. Wie Pizza oder Shrimps.“

In der gläsernen Auslage sehen Sie vorne gefüllte Bierkrüge. Gut zu erkennen ist das Paulaner-Logo auf einem Weizenglas. Davor weiße Teller mit gekreuzten Würsten oder Schweinebauch, oder etwas, was so aussieht, und von dem Sie nicht wissen wollen, was es wirklich ist. In der letzten Reihe tatsächlich Holzofenpizzas. Besonders gefällt mir auch ein weißes Tablett hinten rechts, auf dem ein paar Scheiben Tomaten und Mozarella lagern. Rechts von ihnen ein fettes selbstzufriedenes Rindswürstchen, ein paniertes Schnitzel, eine Zitronenscheibe und die weißen Kugeln in dem  Schälchen links könnten Klöße oder Pellkartoffeln sein.  Geben Sie zu, das i s t deutsches Essen. Tomate und Mozarella ist die deutsche Vorstellung von Leichtigkeit. Und selbstzufriedene Rindwürstchen, die sich selber leicht finden, treffen Sie jeden Tag bei uns im Bus. Und Kartoffeln und Klöße.

Mirjam ist 1, 80 groß. Über die Jahre habe ich tausende Bilder auf Twitter gesehen, auf den sie völlig geborgen in einer Gruppe von wild lächelnden Japanern steht, die sie alle um 15 Zentimeter überragt. Und sie ist ständig auf Konzerten von Bands, die meist eine Mischung von  Heavy Metal, Glamourgirlpop und Halloween-Punk zu sein scheinen und alle diese Bands kennen inzwischen das große deutsche Fangirl mit der täuschend braven dunkelblonden Ponyfrisur und posieren auch gerne mit ihr. Dabei sieht man dann Mirjam und und die ganze Band Zeichen machen und entspannt enthemmt grinsen und grimassieren. Das V-Zeichen sieht man oft. Auf Japanisch scheint das zu bedeuten:

„Alles cool hier!“

Tausend Bilder sagen mehr als ein Wort.  Und Mirjams Japan ist in ihren Bildern gut aufgehoben. Sie hat wohl vor einigen Jahren verstanden, daß man nur da zu Haus ist, wo man wirklich Lust hat, die Leute zu verstehen und ist nach Japan gezogen. Nun arbeitet sie sich mit mehreren Jobs halb tot und schläft zu viel wenig. Sie ist einem Reisebüro, das Trips nach Japan organisiert angestellt und gibt nebenher Sprachunterricht und das scheint nicht alles zu sein.  Vielleicht managt sie auch noch eine Band und züchtet Seerosen. Da ich sie nur von Twitter und ein paar Mails kenne und sich in ihrem Leben alles dauernd verändert, weil Mirjam wohl am wenigsten Stagnation und Gleichförmigkeit verträgt, hechele ich dem tatsächlichen Geschehen wohl immer etwas hinterher. Und inzwischen richten sich die meisten der Bilder und Texte, die sie postet an ihre japanische Community. Was soll ich Ihnen also erzählen, wie ich mir Mirjam vorstelle. Wir schauen uns einfach ein paar Bilder an und fragen uns:

„Who´s that girl?“

Auf diesem hier, vom 31. Dezember 2016, hat sie ein Stück Lotuswurzel und ein großes Messer in der Hand und schaut uns an wie eine Frau mit einem großen Messer, die gar nicht will, daß einer davor Angst hat. Die aber weiß, daß sie jetzt für zwei Sekunden so posieren muß, als habe sie Schlimmes mit dem Ding vor. Der Mund geöffnet, das Küchenhandtuch über der Schulter, der Pony bedeckt Stirn und Augebrauen und ein paar Fransen berühren ihre Wimpern. Sie muß einfach mit dem Ding posieren. So tun als ob. Für eine Sekunde. Wer sie alles sein kann. Da staunt sie immer wieder selbst. Und das Mädchen hat Augen, da gehen Ihnen sofort die Metaphern aus. Der beste Vergleich, der mir nach 6 Jahren Mirjamfotos einfällt:

„Ich habe gesehen, wie alles gut wurde.“

Noch in den wildesten Verkleidungen, bei denen sie hemmungslos auch den Mut zur skurrilsten Maske zeigt, weiß, grün oder blau geschminkt, schauen Sie ruhige und klare Augen an und sagen:

„Noch eine kleine Weile. Dann siehst du es auch.“

Mirjam ist gläubige Christin. Falls Sie auf Twitter sind, können Sie mal zählen, wieviele Leute sich heutzutage trauen, Bibelverse zu zitieren. Brauchen Sie nicht viele Finger. Mirjam zitiert sowas nicht oft, nicht programmatisch, aber es wird nicht Ostern, ohne daß sie den Auferstandenen sieht. Und davon kurz spricht, wie von einer Selbstverständlichkeit. Also hat sie die Augen der Frauen, denen er am Grab entgegenkam und sie können es sofort glauben, daß er es ist und am Leben. Weil es nicht anders sein kann. Das Leben endet nicht. Diese Augen wissen das.

Das mit den Bildern war keine gute Idee. Ich schaue nur noch und schreibe nicht. Mirjam im Kimono, Mirjam mit allen möglichen Perücken, Mirjam mit allem möglichen Essen, Mirjam vor den Plakaten melancholisch-asketischer Sänger um die 60, von denen sie einen mal heiraten wird.  Sagt sie. Meint sie. Wird sie. Schließlich hat sie sich auch entschieden, nicht in Potsdam weiterzustudieren, sondern fröhliche Dauermüdigkeit in Japan zu leben. Und immer wieder neue Leute. Das ist wohl das beste an ihrem Leben. Schauen Sie sich doch mal Ihre eigenen Bilder an. Ich wette, Ihr Leben besteht aus weit unter hundert Menschen. Mehr kennen Sie nicht. Jedenfalls nicht mit Vor- und Nachnamen und im richtigen Leben. Facebook gilt nicht, Freunde von Freunden da draußen im banal Imaginären. Sie gehen immer wieder mit denselben zwei Dutzend Leuten was trinken und selbst diese Zahl ergibt sich nur über die Jahre. Ihr Wochenende besteht seit Jahren aus denselben paar abgekauten Uraltfreunden. Sie rühren immer im selben Kartoffelbrei. Und weil Sie also oft vor Langweile sterben wollen, garnieren Sie den klumpigen Brei mit postmoderner Pseudoironie. Die nur Überdruss ist. Weil nichts mehr passiert, das Ihnen neu vorkommt. Seit Sie 20 sind.

Nicht bei Mirjam. Auch wenn ich berücksichtige, daß ich nicht alle Japaner voneinander unterscheiden kann und sich auf ihren Bildern ständig alle wild verkleiden, so trifft Mirjam eindeutig immer wieder neue Leute. Sie kommt irgendwo rein und trifft neue Leute und redet und lacht mit denen. So will sie leben. Aber nicht etwa aus Angst, heute noch die falschen Leute zu kennen und da draußen laufen vielleicht ein paar bessere rum. Sie sucht nicht kein soziales Upgrading. Wenn ich Mirjam, die ich nie traf, richtig sehe, so scheint ihr die meisten Menschen eine Botschaft zu enthalten, die sie unbedingt lesen möchte. Mit diesen Augen, in denen es so schnell Tag werden kann.

„Das alles gibt es also.“

Das Motto aus Ernst Jüngers

„Das Abenteuerliche Herz“

zitiere ich oft und wohl selten so zu Recht wie bei Mirjam. Sie hat schon in Deutschland Japanisch gelernt, später noch Chinesisch und hat überhaupt einen Sprachtick, der auch zum Erwerb von seltsamen Kleinsprachen wie Flämisch führte und das alles hat folgendes Ziel:

Ich weiß doch, daß da draußen noch viel mehr ist. Als in diesem Raum und dieser Stadt. Ich weiß nur, daß es mehr gibt, als ich heute kenne und daß einer, der an Gott glaubt, nicht immer kleben bleiben kann an seiner Straße. Denn wie will er Gott kennenlernen, wenn er nie in einem fremden Land zu leben auch nur vorgehabt hat?

Ich weiß nicht wie Japaner sind. Aber alles, was ich auf Mirjams Bilder sehe, spricht von einer fast kindlichen Neugier. Die  japanische Technikbegeisterung ist kindlich und verspielt. Und ihr Hang zum Abgedrehten, zum bunten Disneyland, was ist das anderes als die Lust an völlig unvorstellbaren Welten? An dem, was es noch nicht gibt, aber geben sollte? Und auch wenn es kitschig ist und das ist es verdammt oft, dann macht es doch fröhlich. Sie arbeiten sich halb tot und denken immer noch streng hierarchisch und Samsung und Toyota brachen fast zusammen, weil es unjapanisch ist, einen Vorgesetzen zu kritisieren, wenn Sie einen Fehler entdecken. Doch es will mir scheinen, daß Mirjam das Entdecken liebt und die Japaner auch. Es ist alles so schön bunt hier, singt Nina Hagen irgendwo. Ich kann mich gar nicht entscheiden. Nun stellen Sie sich noch Nina in Japan vor. Wild kostümiert ist sie eh seit 40 Jahren. Das ist noch nicht alles. Das darf nicht alles sein. Das wird nicht alles sein. Das wissen Mirjam und Nina, das sieht Mirjam in den jungen Japanern, von denen sie so viele kennt.

Daß es einen japanischen Faschismus gab, der aus Kadavergehorsam und Fanatismus und Überlegenheitsarroganz gespeist war, das weiß sie. Daß es eine japanische Herrenmenschenpose gab. Daß die Zwänge des heutigen japanischen Alltags so müde machen und auch sie aufpassen muß, nicht plötzlich vor lauter Arbeit tot umzufallen, das erfährt sie wohl jeden Tag. Udn dennoch tanzt sie nach der Arbeit noch auf dem nächsten Konzert, bis sie lieber da umfällt, aber nicht tot, sondern höchstens selig.

Alles Klischees. Ich stelle mir ein 27 jähriges Mädchen vor, das ich nie sah, in einem Land, das ich vielleicht nie betreten werde. Ich betrachte Bilder von Japanern in wilden Kostümen und in der Mitte immer die große Mirjam. Sie hat eine gute Zeit, sie ist ganz weit weg von uns und doch bei sich. Ich stelle mir Mirjam als glücklichen Menschen vor.

 

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Sieben Freischwebende Frauen: Mirjam

Sie ist dann nach Japan gegangen. Das mußte sein. Da gehört sie hin. Jetzt schläft sie zu wenig. Und arbeitet zu viel. Aber erlebt endlich genug.

Ich verliere bei ihr dauernd den Überblick. Was sie tut, wen sie kennenlernt, wen sie liebt, wovon sie träumt. Und da sie auf Twitter inzwischen die Hälfte auf Japanisch schreibt und die Bilder, die sie dazu postet durch die automatische Übersetzung noch rätselhafter werden, darf ich sie dauernd fragen, was da wieder los ist. Und wenn sie es dann auf Deutsch erklärt, dann verstehe ich es oft nur so weit, daß ich denke:

“Japan. Kannste dir nicht ausdenken. Aber sie hat es gut da.”

Glauben Sie nur nicht, daß manche Länder nicht auch genau s o sind, wie Sie sich das immer vorgestellt haben. Das Klischee ist nicht die ganze Realität, aber manchmal ist es ein saftiger Teil von ihr. Gestern postete Mirjam ein Bild mit der Unterschrift:

“Restaurant “Bahnhof” serviert deutsches Essen. Wie Pizza oder Shrimps.”

In der gläsernen Auslage sehen Sie vorne gefüllte Bierkrüge. Gut zu erkennen ist das Paulaner-Logo auf einem Weizenglas. Davor weiße Teller mit gekreuzten Würsten oder Schweinebauch, oder etwas, was so aussieht, und von dem Sie nicht wissen wollen, was es wirklich ist. In der letzten Reihe tatsächlich Holzofenpizzas. Besonders gefällt mir auch ein weißes Tablett hinten rechts, auf dem ein paar Scheiben Tomaten und Mozarella lagern. Rechts von ihnen ein fettes selbstzufriedenes Rindswürstchen, ein paniertes Schnitzel, eine Zitronenscheibe und die weißen Kugeln in dem  Schälchen links könnten Klöße oder Pellkartoffeln sein.  Geben Sie zu, das i s t deutsches Essen. Tomate und Mozarella ist die deutsche Vorstellung von Leichtigkeit. Und selbstzufriedene Rindwürstchen, die sich selber leicht finden, treffen Sie jeden Tag bei uns im Bus. Und Kartoffeln und Klöße.

Mirjam ist 1, 80 groß. Über die Jahre habe ich tausende Bilder auf Twitter gesehen, auf den sie völlig geborgen in einer Gruppe von wild lächelnden Japanern steht, die sie alle um 15 Zentimeter überragt. Und sie ist ständig auf Konzerten von Bands, die meist eine Mischung von  Heavy Metal, Glamourgirlpop und Halloween-Punk zu sein scheinen und alle diese Bands kennen inzwischen das große deutsche Fangirl mit der täuschend braven dunkelblonden Ponyfrisur und posieren auch gerne mit ihr. Dabei sieht man dann Mirjam und und die ganze Band Zeichen machen und entspannt enthemmt grinsen und grimassieren. Das V-Zeichen sieht man oft. Auf Japanisch scheint das zu bedeuten:

“Alles cool hier!”

Tausend Bilder sagen mehr als ein Wort.  Und Mirjams Japan ist in ihren Bildern gut aufgehoben. Sie hat wohl vor einigen Jahren verstanden, daß man nur da zu Haus ist, wo man wirklich Lust hat, die Leute zu verstehen und ist nach Japan gezogen. Nun arbeitet sie sich mit mehreren Jobs halb tot und schläft zu viel wenig. Sie ist einem Reisebüro, das Trips nach Japan organisiert angestellt und gibt nebenher Sprachunterricht und das scheint nicht alles zu sein.  Vielleicht managt sie auch noch eine Band und züchtet Seerosen. Da ich sie nur von Twitter und ein paar Mails kenne und sich in ihrem Leben alles dauernd verändert, weil Mirjam wohl am wenigsten Stagnation und Gleichförmigkeit verträgt, hechele ich dem tatsächlichen Geschehen wohl immer etwas hinterher. Und inzwischen richten sich die meisten der Bilder und Texte, die sie postet an ihre japanische Community. Was soll ich Ihnen also erzählen, wie ich mir Mirjam vorstelle. Wir schauen uns einfach ein paar Bilder an und fragen uns:

“Who´s that girl?”

Auf diesem hier, vom 31. Dezember 2016, hat sie ein Stück Lotuswurzel und ein großes Messer in der Hand und schaut uns an wie eine Frau mit einem großen Messer, die gar nicht will, daß einer davor Angst hat. Die aber weiß, daß sie jetzt für zwei Sekunden so posieren muß, als habe sie Schlimmes mit dem Ding vor. Der Mund geöffnet, das Küchenhandtuch über der Schulter, der Pony bedeckt Stirn und Augebrauen und ein paar Fransen berühren ihre Wimpern. Sie muß einfach mit dem Ding posieren. So tun als ob. Für eine Sekunde. Wer sie alles sein kann. Da staunt sie immer wieder selbst. Und das Mädchen hat Augen, da gehen Ihnen sofort die Metaphern aus. Der beste Vergleich, der mir nach 6 Jahren Mirjamfotos einfällt:

“Ich habe gesehen, wie alles gut wurde.”

Noch in den wildesten Verkleidungen, bei denen sie hemmungslos auch den Mut zur skurrilsten Maske zeigt, weiß, grün oder blau geschminkt, schauen Sie ruhige und klare Augen an und sagen:

“Noch eine kleine Weile. Dann siehst du es auch.”

Mirjam ist gläubige Christin. Falls Sie auf Twitter sind, können Sie mal zählen, wieviele Leute sich heutzutage trauen, Bibelverse zu zitieren. Brauchen Sie nicht viele Finger. Mirjam zitiert sowas nicht oft, nicht programmatisch, aber es wird nicht Ostern, ohne daß sie den Auferstandenen sieht. Und davon kurz spricht, wie von einer Selbstverständlichkeit. Also hat sie die Augen der Frauen, denen er am Grab entgegenkam und sie können es sofort glauben, daß er es ist und am Leben. Weil es nicht anders sein kann. Das Leben endet nicht. Diese Augen wissen das.

Das mit den Bildern war keine gute Idee. Ich schaue nur noch und schreibe nicht. Mirjam im Kimono, Mirjam mit allen möglichen Perücken, Mirjam mit allem möglichen Essen, Mirjam vor den Plakaten melancholisch-asketischer Sänger um die 60, von denen sie einen mal heiraten wird.  Sagt sie. Meint sie. Wird sie. Schließlich hat sie sich auch entschieden, nicht in Potsdam weiterzustudieren, sondern fröhliche Dauermüdigkeit in Japan zu leben. Und immer wieder neue Leute. Das ist wohl das beste an ihrem Leben. Schauen Sie sich doch mal Ihre eigenen Bilder an. Ich wette, Ihr Leben besteht aus weit unter hundert Menschen. Mehr kennen Sie nicht. Jedenfalls nicht mit Vor- und Nachnamen und im richtigen Leben. Facebook gilt nicht, Freunde von Freunden da draußen im banal Imaginären. Sie gehen immer wieder mit denselben zwei Dutzend Leuten was trinken und selbst diese Zahl ergibt sich nur über die Jahre. Ihr Wochenende besteht seit Jahren aus denselben paar abgekauten Uraltfreunden. Sie rühren immer im selben Kartoffelbrei. Und weil Sie also oft vor Langweile sterben wollen, garnieren Sie den klumpigen Brei mit postmoderner Pseudoironie. Die nur Überdruss ist. Weil nichts mehr passiert, das Ihnen neu vorkommt. Seit Sie 20 sind.

Nicht bei Mirjam. Auch wenn ich berücksichtige, daß ich nicht alle Japaner voneinander unterscheiden kann und sich auf ihren Bildern ständig alle wild verkleiden, so trifft Mirjam eindeutig immer wieder neue Leute. Sie kommt irgendwo rein und trifft neue Leute und redet und lacht mit denen. So will sie leben. Aber nicht etwa aus Angst, heute noch die falschen Leute zu kennen und da draußen laufen vielleicht ein paar bessere rum. Sie sucht nicht kein soziales Upgrading. Wenn ich Mirjam, die ich nie traf, richtig sehe, so scheint ihr die meisten Menschen eine Botschaft zu enthalten, die sie unbedingt lesen möchte. Mit diesen Augen, in denen es so schnell Tag werden kann.

“Das alles gibt es also.”

Das Motto aus Ernst Jüngers

“Das Abenteuerliche Herz”

zitiere ich oft und wohl selten so zu Recht wie bei Mirjam. Sie hat schon in Deutschland Japanisch gelernt, später noch Chinesisch und hat überhaupt einen Sprachtick, der auch zum Erwerb von seltsamen Kleinsprachen wie Flämisch führte und das alles hat folgendes Ziel:

Ich weiß doch, daß da draußen noch viel mehr ist. Als in diesem Raum und dieser Stadt. Ich weiß nur, daß es mehr gibt, als ich heute kenne und daß einer, der an Gott glaubt, nicht immer kleben bleiben kann an seiner Straße. Denn wie will er Gott kennenlernen, wenn er nie in einem fremden Land zu leben auch nur vorgehabt hat?

Ich weiß nicht wie Japaner sind. Aber alles, was ich auf Mirjams Bilder sehe, spricht von einer fast kindlichen Neugier. Die  japanische Technikbegeisterung ist kindlich und verspielt. Und ihr Hang zum Abgedrehten, zum bunten Disneyland, was ist das anderes als die Lust an völlig unvorstellbaren Welten? An dem, was es noch nicht gibt, aber geben sollte? Und auch wenn es kitschig ist und das ist es verdammt oft, dann macht es doch fröhlich. Sie arbeiten sich halb tot und denken immer noch streng hierarchisch und Samsung und Toyota brachen fast zusammen, weil es unjapanisch ist, einen Vorgesetzen zu kritisieren, wenn Sie einen Fehler entdecken. Doch es will mir scheinen, daß Mirjam das Entdecken liebt und die Japaner auch. Es ist alles so schön bunt hier, singt Nina Hagen irgendwo. Ich kann mich gar nicht entscheiden. Nun stellen Sie sich noch Nina in Japan vor. Wild kostümiert ist sie eh seit 40 Jahren. Das ist noch nicht alles. Das darf nicht alles sein. Das wird nicht alles sein. Das wissen Mirjam und Nina, das sieht Mirjam in den jungen Japanern, von denen sie so viele kennt.

Daß es einen japanischen Faschismus gab, der aus Kadavergehorsam und Fanatismus und Überlegenheitsarroganz gespeist war, das weiß sie. Daß es eine japanische Herrenmenschenpose gab. Daß die Zwänge des heutigen japanischen Alltags so müde machen und auch sie aufpassen muß, nicht plötzlich vor lauter Arbeit tot umzufallen, das erfährt sie wohl jeden Tag. Udn dennoch tanzt sie nach der Arbeit noch auf dem nächsten Konzert, bis sie lieber da umfällt, aber nicht tot, sondern höchstens selig.

Alles Klischees. Ich stelle mir ein 27 jähriges Mädchen vor, das ich nie sah, in einem Land, das ich vielleicht nie betreten werde. Ich betrachte Bilder von Japanern in wilden Kostümen und in der Mitte immer die große Mirjam. Sie hat eine gute Zeit, sie ist ganz weit weg von uns und doch bei sich. Ich stelle mir Mirjam als glücklichen Menschen vor.

 

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timisoara

er wohnte da seit jahren.

sorin sopon.

er saß auf der vortreppe des bahnhofs

mit seiner flasche und krakeelte.

bahnhofspolizei kam, drei schwarzuniformierte

junge schläger mit genervtem dauergrinsen.

er solle weggehen, ruhig sein.

sorin schwenkte seine flasche und blieb.

weil er da ja wohnte.

sie holten einen eimer und übergossen ihn mit wasser.

er bedankte sich höhnisch, krakeelte weiter und

rief nach seiner mutter.

da trat der erste.

sopon ließ die flasche fallen und

stand schon fast, als ihn der zweite tritt in die nieren traf

und nun fiel er rückwärts.

sie hätten ihn auffangen können,

natürlich taten sie es nicht:

blut und rotwein.

die platzwunde war sehr groß und vielleicht tief.

sie hatten ihren auftrag erfüllt.

weil er nun nicht mehr krakeelte.

er jammerte nur noch leise.

ich ging ins büro der polizei an gleis eins

und fragte, was ich tun könne.

nun, erwiderte der chef,

sie können ihn ins krankenhaus mitnehmen

und für ihn bezahlen.

die nähen ihn dann und schicken ihn zurück

zu uns auf die treppe.

willkommen in rumänien.

er wohnt hier seit 10 jahren.

er war mal maurer oder zimmermann.

kein schlechter kerl, aber es wird ihn keiner mehr nehmen.

was soll er auch machen, außer trinken?

lesen?

die platzwunde ist nicht schlimm, gehen sie in die apotheke und

kaufen sie desinfektionsmittel.

wir haben nichts dagegen, daß er auf der treppe wohnt.

solange er dabei leise ist.

wir sprachen französisch, was mich wohl davor rettete

wegen einmischung in die angelegenheiten der bahnpolizei oder

arroganter ausländischer anmaßung

festgenommen zu werden.

so fanden sie meinen auftritt

mehr komisch als ärgerlich.

einer der bahnbullen hatte eine erleuchtung:

kaufen sie eine flasche wasser und

krempeln sie die ärmel hoch,

sagte er.

er sah aus wie wolfgang stumph.

ich beschloß,  ihn freundlich und wohlwollend zu finden.

wir nahmen eine sackkarre

und gingen wieder auf die vortreppe.

wir luden sorin sopon auf die karre

und schoben ihn zu einem abgestellten zug.

stumph und ich gingen in ein abteil und die anderen beiden

schoben ihn uns durch das fenster zu.

ich legte ihm die wasserflasche in der arm und

wir ließen ihn schlafen.

am nächsten tag brachte ich ihm gebäck und

gebrauchte kleidung.

stumph warnte mich heiter:

christ sein ist schön, sagte er,

als ich ihm erklärte, warum ich das machte,

ich wäre auch gerne christ, wenn ich einen andren beruf hätte.

aber die kriminellen hier wissen schon längst,

daß sie im hotel nord hier am bahnhof wohnen.

die kommen vielleicht nachts und suchen nach ihrem

vielen geld.

wer obdachlose kleidet und mit teigtaschen füttert,

der muß geld haben.

reisen sie also ab.

am besten heute.

wir können sie nicht schützen.

eigentlich wollen wir es auch nicht.

ich bedankte mich, winkte sopon nochmal zu und

schob nachts einen stuhl

unter die klinke meiner zimmertür,

schlief sehr schlecht und am nächsten tag reiste ich ab.

dies ist eine wahre geschichte, sie spielt 2006

und der mann heißt wirklich

sorin sopon

und was aus ihm wurde, das weiß ich nicht.

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an @TobiasRaff

(@TobiasRaff hatte sich kurz gelöscht und kam dann wieder. seine erläuterungen dazu kann man auf seinem blog nachlesen. dort hinterließ ich eben folgenden kommentar:)

“lieber tobias,

schön, daß du wieder da bist.

es wird dich erstaunen, daß ausgerechnet @MelekSgrafitto das schreibt, mit dem du im zuge der #ochdomino-affaire sehr über kreuz gerietst.

ich bin, das wissen hier einige, polemisch gesehen, auch kein kind von traurigkeit, näheres kann man zb aus meinen blogposts über @maltewelding oder die @faserpiratin ersehen.

es gibt aber etwas, das ich dir zu bedenken geben möchte:

warum werden menschen, die es wie die kluge @TiiaAurora oder der blogger mantau wahrlich nicht an differenzierten argumenten fehlen lassen, wenn es um themen wie #ochdomino oder #aufschrei geht, sofort auch von dir in eine schublade mit der aufschrift #maskulist gesteckt? warum hast du dich, auch in meinem fall, mit schnellem blocken, derber verhöhnung und der völligen unwilligkeit, mit denen auch nur zu sprechen, die vorschnell zu feinden einer guten sache erklärt worden sind, so hervorgetan?

ich finde in deinem text oben u.a. das wort “schmeißfliegen”. muß das sein? ist dir die ungute tradition des wortes bewußt? fjstrauß nannte u.a. heinrich böll so.

die allen bekannte tatsache, daß es im internet fürchterliche gesellen, sexistische gewalttäter und rechte unfriedensstifter gibt, berechtigt aber niemanden, jeden kritiker immer in d i e s e ecke zu verweisen. das ist so bequem für manchen geworden, zum unbedingten und undemokratischen reflex. so wie das wort #troll. lies meine gedichte oder meine andren blogposts. bin ich denn einfach nur ein #troll?

mantau, @TiiaAurora und ich haben mit solchen leuten nichts gemein und w i ß t ihr das nicht auch?

es hat sich spätestens im umfeld der verfahrenen #ochdomino-diskussion hier ein lagerdenken ergeben, das niemandem hilft.

was soll das denn s e i n, ein #maskulist? ist die @TiiaAurora denn eine #maskulistin, weil sie darauf verwies, daß die “brüderle-story stinkt”?

eine frau, die gewalt am eigenen leib erlebt hat, die weit über das zweifelhafte pillepalle der brüderle-geschichte hinausging?

ich werde dir nun auf twitter folgen. vielleicht kann man ja reden miteinander. ”

man kann.

auch wenn ich es erst nicht dachte.

aber nun, zwei stunden später schrieb mir @TobiasRaff:

 

“laß mir etwas zeit für ne antwort. man kann reden.”

 

und der obenstehende text wurde auf seinem blog ebenfalls freigegeben.

ich danke dafür,

lieber tobias.

so kann, ja so soll twitter sein. 🙂

 

 

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hinter der wand

was machen wir um nicht zu verzweifeln?

wir halten uns an die sichtbare welt.

auch wenn die sich erschreckend plötzlich ändert.

sie lächelt, noch lächelt meine beste freundin.

und ob sie nur damit verbirgt, wie wütend sie gleich wird,

ich will es noch nicht wissen.

es wird gleich eh über mich hereinbrechen.

und natürlich gilt ihr zorn etwas,

das ich nicht gesagt habe oder gemeint.

also, noch glaube ich das wenigstens.

ihre wut wird diese gewissheit aber gleich hinwegfegen.

ich fühle mich nicht unverstanden.

denn wenn ich auch sonst nicht mehr viel weiß,

so merke ich doch,

ob einer in mich hineinsehen kann oder nicht.

und wo es mißverständnisse gibt, am laufenden band,

da ist das rettende ferner denn je.

freundschaft und liebe sind ein zuhause oder sind eben nicht.

oder sie sollten besser nicht mehr sein.

zum glück gibts die täuschung, was hätten wir sonst,

singt dota, die sich früher auch die kleingeldprinzessin nannte.

das kleingeld der freundschaft heißt wahrheit.

manchmal geht es uns aus.

dann würde ich gerne die hand aufhalten,

damit einer etwas hineinlegt,

eine kleine münze, ganz blank,

darin sich der himmel spiegelt.

der da oben und so weit ist.

.

 

für m.

 

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die seltsamen methoden des @maltewelding

so kurz wie möglich die vorgeschichte.

weil es um die nicht geht.

malte welding ist journalist. auf twitter postet er unter @maltewelding.

er schreibt unter anderem für die süddeutsche zeitung.

anfang september machte er sich auf twitter einen namen, als er bei der jagd nach der “wirklichen” identität der inzwischen legendären @ochdomino “herausfand”, daß sie ihr eigener vater sei, bzw ein polnisches model, bzw eine werbeagentur. im prinzip gab er allerdings nur die informationen des vaters ungeprüft weiter.

ich setze diese geschichten mal als bekannt voraus. texte dazu sind auf meinem blog und natürlich auch auf dem von @maltewelding zu finden.

auch ich gehörte nun zu denen, die die widersprüche seiner geschichte auf seinem blog kommentierten.

bei meinem ersten kommentar auf diesem seinen blog gab ich nun nicht nur meinem twitteraccount an, sondern versehentlich einen klarnamen:

“marcel hennicke”

ich habe sicher kein problem, wenn leute auf twitter diesen kennen, es gibt allerdings mehrere menschen dieses namens in deutschland. und schon deshalb und weil twitter diese möglichkeit nunmal bietet und meine identität auf twitter keine rolle spielt, solange ich keine straftat begehe, braucht meine wirkliche identität im internet keine rolle zu spielen, wenn ich das so entscheide. so wie es eigentlich auch bei @ochdomino (siehe auch #om13gate) keine rolle spielt, wer sie war, oder was sie darüber sagte, wer sie sei.  in diesem punkt bestand ja eine der differenzen mit herrn welding.

aber, eben schon um die verschiedenen marcel hennicke in deutschland nicht mit mir zu verquicken, da es ja ein schlichtes versehen war, wollte ich das rückgängig machen und so bat ich in einem weiteren kurzen kommentar auf herrn weldings blog diesen, den klarnamen bitte herauszunehmen. da i c h das ja nach dem posten nicht mehr kann, aber e r bei der moderation sehr wohl.

er tat das  aber nicht. das war mir eigentlich egal, da ich ja keine beleidigungen, sondern sachliche kritik gepostet hatte. herr welding reagierte einfach überhaupt nicht.

bis zum 10. september:

“Lieber Marcel Hennicke, alias @MelekSgrafitto: zeigen Sie ihre Tweets und Gedichte mal einem Arzt.”

schrieb er auf twitter. sie können es dort heute noch lesen.

daran ist nun einiges doch sehr bemerkenswert. ich arbeite die punkte mal ab:

1. “alias”?

ein twittername ist für herrn welding ein “alias”? theoretisch und formal zwar schon, aber hat herr welding vielleicht an twitter irgendwas nicht verstanden? was ich und andere ja schon bei seiner hartnäckigen jagd auf die identität von #ochdomino gefragt hatten.

2. herr welding benutzt einen versehentlich geposteten klarnamen aus einem kommentar auf seinem blog auf twitter. das ist zwar kein regelverstoß im strengen sinne, da ich diese information ja selber gepostet hatte und sie damit öffentlich waren. aber die frage, w a r u m er das tut, die ist natürlich schon interessant.

3. seine aufforderung meine tweets und gedichte (ich habe einen eigenen gedichtblog auf twitter, der auch meleksgrafitto heißt) einem arzt zu zeigen, dürfte ja schon mit der aussage gleichzusetzen sein, der @MelekSgrafitto heißt eigentlich marcel hennicke und      d e r ist ein fall für den psychiater. starke aussage, oder? und sehr sachlich und stilvoll, nicht wahr? wie journalisten, die für die süddeutsche schreiben nun mal sind.

4. denn: der herr welding schreibt eben auch für die süddeutsche zeitung.

ohne selbst ein urteil über die qualität meiner gedichte fällen zu wollen, so hättte ihm ein flüchtiger blick zeigen können, daß es sich schon formal um eigenständige lyrik handelt und daraus ohne weiteres einen schluß auf den geisteszustand des urhebers zu ziehen, das ist zumindestens bei einem journalisten, der auch für eine solche renommierte zeitung mit einem vielgerühmten literaturteil schreibt, sagen wir, bemerkenswert.

5. der herr welding ist natürlich nie auf meine kommentare auf seinem blog zu #ochdomino eingegangen. auch meine tweets zum thema, ob an ihn gerichtet oder nicht, ignorierte er. stattdessen nimmt er einige tage später a l l e meine tweets (“ihre tweets”) UND meine gedichte (die mit #om13Gate nichts zu tun haben) in eine art kollektivhaftung für meinen allgemeinen geisteszustand und nennt meinen vollen namen. den es in deutschland eben nicht nur einmal gibt. sagen wir es nett: der vage eindruck kleinlich-stilfreier revanche für sachliche kritik drängt sich eventuell auf?

6. das wäre natürlich egal. twitter ist kein ponyhof.

7. aber der herr welding ist ein nicht ganz unbekannter journalist. der für renommierte medien schreibt. anders als mein angeblicher geisteszustand sind s e i n e methoden durchaus ein gegenstand öffentlicher erwägung?

was hiermit geschah. dieser beitrag wird nunmehr herrn welding per link an seinen account @maltewelding gesandt.

seien wir gespannt, was ihm dazu einfällt.

 

ps:

am 2. oktober f i e l ihm dann was ein. wenn auch nicht viel.

herr welding machte einen screenshot von den tweets, mit denen ich für diesen blogpost warb und den retweets, die diese erhielten und gab dem ganzen den lakonischen titel “maskulisten”.

ich bin also nicht nur ein fall für den psychiater, sondern auch ein frauenfeind, oder was immer banal-skurriles lagerdenken einem renommierten journalisten so für einfälle beschert.

das brauche ich wohl nicht mehr zu kommentieren.

denn die selbstenthüllung ist nunmehr vollständig.

danke, herr welding:

weitermachen!

am besten bei BILD.

 

 

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Das Internet Vergißt Auch Keine Weissen Pralinen (@faserpiratin goes orwell)

“Wenn selbst bei Pralinen behauptet wird, weiß sei besser. #schauhin”

das glauben sie nicht?

daß das ein tweet bei #schauhin war? ein ernstgemeinter?

lesen sie mehr @faserpiratin.

von der weiß das internet ja was.

das war die, in deren vortrag u.a. die berühmte #ochdomino vorkam. das war die, welche dann erleichtert alle zur entschuldigung antreten ließ, als herauskam, daß es kein neunzehnjähriges mädchen gab und also auch keins gejagt wurde. daß der herr sch. aus k. anscheinend drei töchter h a t, das bestritt zwar keiner und daß er sie schützen mußte, das interessierte keinen. doch nachdem sich nun also herausstellte, daß die wohl einzige deutsche feminismuskritikerin außer der wunderbaren @TiiaAurora, ein kieler werbefuzzi ist, der sich hinter einem polnischen models versteckt, wenden wir uns alle also gefälligst der wirklichen diskriminierung zu:

#schauhin.

sie haben also keineswegs satire vor sich:

“Wenn selbst bei Pralinen behauptet wird, weiß sei besser. #schauhin”

@faserpiratin heute morgen. (8.9.2013)

ich weiß jetzt nicht, ob @faserpiratin auch eine grimmepreisträgerin ist oder für ihren pranger einen bekommen wird, aber ich weiß, daß wir nun zuverlässig an dem punkt angelangt sind, wo ernsthaft nicht mehr ernsthaft von lächerlich zu unterscheiden ist:

“bald hier: #gedankenverbrechen im sinne #orwells: der unausgesprochene wunsch weiße schokolade essen zu wollen. #filterbubble”

so antwortete ihr prompt der obermaskutroll @MelekSgrafitto persönlich, der ja seit neuestem von sich behauptet, gleich drei polnische models zu sein. nachdem er bei #om13Gate zu sehr hinschauen mußte.

kurz vorher schrieb ich an die kluge und freundliche @kuebra, initiatorin von #schauhin:

“oft sind es blicke? oft sind es handlungen und worte, gegen die man sich nicht wehren kann? was irgendwann sehr müde macht?”

als antwort auf ihren tweet:

“Alltagsrassismus ist oft das, was man nicht in Worte fassen kann. Erlebnisse, die in keinen Tweet passen. #schauhin”

sie sehen hoffentlich, ich unterstütze @kuebras anliegen. lesen sie meine tweets. aber wir müssen jetzt so aufpassen. sonst läuft es wie bei #aufschrei:

selbsternannte tugendwächter_I_nnen kapern die deutungshoheit. und wir haben nur noch nachzublöken. #määäh

nicht nur wurde mit der schwachsinnigen trennung von #schauhin und #schauhinsoli versucht, die voneinander zu trennen, die miteinander reden sollten, sondern der diskurs wird auch ständig von denen zum entgleisen gebracht, die nicht einfach über tatsächliche diskriminierungen reden können, sondern allen ein vages schuldgefühl einreden wollen. jedesmal wenn ich eine weiße praline esse, soll ich also erkennen, daß ich ein blasses privilegiertes maskustrollarschloch bin, das besser bald mal sein finales stalingrad erleben sollte?

es reicht jetzt einfach.

twitter gestattet uns, gesellschaftliche debatten zu führen, ohne erlaubnis und förderung seitens irgendwelcher leitmedien. die das thema dann eventuell zähneknirschend aufgreifen. so war es bei #aufschrei, trotz aller entgleisungen. so kann, ja so muß es bitte nun bei #schauhin sein.

dazu gehört aber, daß uns die selbsternannten schuldigsprecher der nation nicht ständig frontalunterricht erteilen, der von bewußter satire überhaupt nicht mehr unterschieden werden kann. auch wenn sie unfreiwillig komisch sind, heißt das nicht, daß das witzig ist. nicht bei diesem thema.

das internet vergißt nichts.

es sollte aber nicht soweit kommen, daß wir das internet vergessen müssen, weil nicht mehr auf gleicher augenhöhe diskutiert werden soll und nichtexistente #ochdominos durchs globale dorf gejagt werden, weil sie aufmucken. oder priviligierte weiße maskuarschlochtrolle wie ich.

schaut also genau hin.

und laßt euch nicht einschüchtern.

der nächste grimmepreis ist hier nicht das ziel.

.

(für @TiiaAurora)

ps.

nachdem ich diesen text geschrieben hatte, machten mich @faserpiratin und andere darauf aufmerksam, daß eine ferrero-küßchen werbung gemeint sei, die verkündete, es werde in zukunft auch und zwar für immer weiße ferrero-küßchen geben. ihrem tweet, den ich hier kommentierte war dieser link allerdings nicht beigegeben und nach betrachten des werbespots sehe ich auch keinen anlaß, meinen text zu ändern. in der werbung wird keineswegs behauptet “weiß sei besser”, sondern es werde eben in zukunft dunkle und helle, also braune und weiße ferreroküßchen geben. alles andere ist eben tatsächlich nur ausdruck dieser modischen aufgeregtheitskultur, die keinem einzigen diskriminierten menschen etwas hilft, aber per überinterpretation kampagnen fährt, die ihren eigenen sinn dadurch schlicht  desavourieren.

ich lasse meinen text also stehen.

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Wenn Sie Rufen. 7 Thesen über Tote.

1.

die toten rufen? was haben sie zu sagen? was wollen sie? haben wir etwas versäumt?

2.

kaum sind sie tot, sollen sie uns gehören. sie können sich nicht mehr wehren. wir bestimmen, wer sie waren.  unser bildnis steht nun fest. und keiner soll dran rütteln. s i e können es ja nicht mehr.

3.

faszinierend, diese frühvollendeten. die angeblich so früh haben gehen müssen. die wir uns nicht als ältere vorstellen wollen. wir können es nicht, sagen wir. wir wollen es nur nicht. schwarzromantische sterbeverklärung. wir wollen auch nur betrauert werden wie jim morrisson. und wissen, es wird keiner tun.

4.

die engsten angehörigen sind am erpresserischsten. nur s o war ihr mann, ihr kind, ihre schwester. pietät als zensur.

5.

wir schämen uns vor den toten, daß wir überlebten. wir beneiden sie, daß sie es hinter sich haben. die meisten vergessen wir immer mehr. die wir nie vergessen, an die erinnern wir uns nur mit goldrand. siehe oben.

6.

“du weißt es jetzt”,

ließ ich nach louis ferdinand jägersbergs (1965-2005) tod im lokalblatt erscheinen.  natürlich hätte ich auch schreiben können: “du weißt jetzt nichts mehr”. wie kann einer tot sein, der lebte? d a s verstehen wir überhaupt nicht.

7. die toten, sie rufen. aber wir verstehen ihre worte nicht. schließlich verhallen sie. in hundert jahren lebt keiner mehr, der sie kannte.

 

 

 

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